Das Hochwasser 1872 in Graubünden

“Nach einem fast tropischen Regenfall brach am 21./V der Nolla bei Thusis aus; die neuen Thalsperren und Wuhren vermochten sich zu halten; aber anderwärts wie im Oberland und Münstertal richteten die Rüfen nicht unerheblichen Schaden an, namentlich in letzterem Thale.

Beide Rheine und die Plessur gingen am 26./VI sehr hoch. Wuhren und Holzrechen wurden bei diesem Anlasse weggerissen.

Bald darauf (den 31. VII) war es der Inn, der nach einem starken Schlagregen austrat und bei Samaden mehrere Dammbrüche verursachte. Gleichzeitig traten im Engadin und anderwärts viele Rüfen aus.

In den letzten Tagen des August erschienen die Abflüsse aus dem Gebiete des Adula bedeutend angeschwellt. Im Rheinwald litten die Güter vielen Schaden; die Moesa stand sogar höher als im Jahr 1868, stiftete jedoch keinen weiteren Schaden an.

Am Bedrohlichsten gestaltete sich der Wasserstand des Rheines vom 5—6./X. Bei Zillis sank eine etwa 100 Meter lange Strecke der Poststrasse ein, Dammbrüche fanden bei Rothenbrunnen und Haldentein statt; bei Kästris wurde die Brücke fortgerissen.

Der Pegel bei Reichenau zeigte bereits 26’, wie im Jahre 1817 (1868: 28’.5). Zum Glück, dass der Regen nicht über 12 Stunden anhielt; immerhin waren die Verheerungen weiter abwärts im St. Gallischen Rheinthal und Fürstenthum Lichtenstein leider sehr empfindlich.

Der Inn brach bei Samaden zum zweiten Male durch, und Cierfs wurde neuerdings durch seine verheerende Rüfe heimgesucht."
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Quelle Naturchronik 1872. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubünden. Band 18 (1873-1874)