Der Lawinenwinter 1892 in Graubünden

“Am 5. fielen im Tavetsch grosse Massen von Schnee. Schon Tags vorher waren zwei Brüder (Wallier) beim Holzführen sammt Pferd und Rind umgekommen in einer gewaltigen Lawine, die ca. 1 Stunde südwärts von Sedrun von den steilen kahlen Abhängen des Tgiom niedergegangen war. Nach Schätzungen war dieselbe ca. 60’ hoch und 250’ breit.

Dieser gewaltige Schneefall störte ferner den Verkehr von Ilanz nach Vals und abwärts nach Bonaduz via Versam.

Er dauerte bis 8./9. Februar an, im ganzen Kanton, am wenigsten im Engadin.

Die Posten des Engadins kamen in Chur, obwohl mit starken Verspätungen, an.

Dagegen wurde die Eisenbahnverbindung von Klosters nach Davos unterbrochen (theils durch die Drusatscha-Lawine, theils durch die grossen Schneemassen überhaupt. Erstere bedeckte auf eine Länge von ca. 100 m. die Bahn 6—8 m. hoch mit Schnee, Bäumen und Steinen.
Wiedereröffnung des Verkehrs pr. Bahn am 16. Februar; es mussten die Schlitten wieder zur Hand genommen werden und gelang es endlich nach langen Mühen, für diese die Strassenpassage zu erzwingen.

In den genannten Orten fiel in den Tagen vom 6. zum 8. II. 2 bis 3 m. Schnee.

In Davos sei seit 1817 nicht mehr so hoher Schnee gelegen. Am 7. überstieg die Schneehöhe diejenige des Winters 1874/75, in welchem Winter Davos mehrere Tage abgesperrt war, um 14 cm. und seither sind wieder 25 cm. gefallen.

Unterbrechung des Telegraphen von Davos nach Landquart und nach Thusis. Der Postverkehr über Flüela und nach den Zügen für mehrere Tage unterbrochen.

Am 9. II. ging in Davos-Dörfli eine Lawine nieder, ca. 5 Ställe mitreissend, 3 Stück Vieh wurden getötet. Erst in der Landstrasse blieb sie stehen.

Ferner fielen in Davos in diesen Tagen Lawinen in der Nähe von Clavadiel im Sertigthale, am Laret, beim Waldhaus gegenüber Davos-Platz, alle am 8. II., am 9. eine grosse bei den Kaisern im Dischmathal. Menschenleben waren dabei nicht zu beklagen, wohl aber war erheblicher Schaden an zerstörten Ställen und Vieh entstanden.

Die Laret-Lawine war eine Staublawine. Von dieser Stelle wissen weder Chroniken, noch alte Leute von Lawinen zu erzählen. Viel Schaden an Wald.

Weitere Lawinen gemeldet von Arezen (Staublawine) und vom Kreuz ins Buchenertobel (Prättigau) eine Schlaglawine.

In Chur hoher Schnee, Schädigung der Obstbäume und der Telegraphenleitungen.

Im Engadin fielen Lawinen: am 8. II. zwischen Süs und Zernez, zwischen Lavin und Giarsun, am 9. mehrere in demselben Bezirke.

Am 11. II. eine Lauine bei Martinsbruck mit Stauung des Inns.

Zwischen Malix und Churwalden, beim sog. weissen Haus, kam eine Lawine auf die Strasse an derselben Stelle wie 1866, ferner im Oberhalbstein; jedoch in beiden Gegenden ohne den Verkehr länger zu unterbrechen, derselbe war alsbald wieder hergestellt.

Am Bernina und Maloja, sowie im ganzen Oberengadin waren die Schneeverhältnisse normal; in Puschlav hatte man keinen Schnee, sondern aperes Land."
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Quelle Naturchronik 1892. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubünden. Band 37 (1893-1894)