Das Hochwasser 1585 in Graubünden

“Am 16. Ougsten hat die ganz wält krachet und war ein unerhört dondren und blizgen. Es rägnet schier den ganzen summer, dardurch die wasser in allen landen grossen schaden thetend.

An unser frouwen tag im Ougsten ist das wasser zuo Tusis so starck angelofen, dass stein wie stubenöfen triben. Hat sich verschwellt vnd ein stund vor tag mit sölicher Ungestümigkeit usbroehen, das ein sölich tosen, krachen und braschlen war, als wenn die bergen zuosammengefallen werend, dardurch denen von Tusis, Caz, Sils, Fürstno, Rotels, Tamils und durch alle lender nider an boumgärten, wisen, bruggen, wuoren, fälder und gärten unschezbarlicher grosser schaden ervolget ist.

Der Ryn hat denen zuo Tusis vil güter mit sampt dem grund eines mans hoch hinweggfüert; glycherwys beschach im Oberland, im Ryntal, im Bretigöüw, im Schwyzerland, und in tütschen und welschen landen.

Zuo Ruwis ob Ilanz und in Gamboltschyn (Campodolcino) hat das wasser etliche heüser undergraben, umbgerissen und hinweggfüert sampt etlich personen ertrenckt.

Am 2. October sind die wasser zuo dem dritten mal so grusamlich angangen, das die widrum gemachten bruggen aber(mal) hinweggefüert, darzuo vilen lustigen güetren uf ein nüwes grossen schaden zuogefüegt.

In disem iar regiert krieg, bluotvergiessen, mord, todschlag, zwytracht, ufruor, iamer, schaden, hunger, theüre, pestilennz, hagel, ungewitter, kellte, wasser- und feürsnoth, ryfen und schnee sampt allerley plagen."
.

Quelle: Hans Ardüser’s Selbstbiographie und Chronik
(1572-1614). In: Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubünden. Band 15 (1869-1870)
.


Brügger präsentiert in seiner Naturchronik folgende Informationen zum Ereignis:

“Eine reiche Unglücks-Chronik von Wasserverheerungen … hat Ardüser (Chronik S. 84 – 96) für 1585 zusammengestellt … 1585 Am 16. Augusten hat die “ganze Welt krachet” von unerhörtem Donnern und Blitzen; an Unser Frauen Tag (M. Himmelfahrt d. 15. Aug. a. St.) ist das “wütende Wässerle”, die Nolla bei Thusis so stark angelaufen, “dass Stein wie Stubenöfen trieben”; hat sich verschwellt und ist ein Stund vor Tag mit solchem Ungestüm usbrochen mit Tosen, Krachen und “Braschlen” als wären die Berge zusammengefallen 29).

Dadurch erlitten Thusis, Cazis, Sils, Fürstenau, Rodels, Tamils “unschätzbarlichen grossen Schaden” an Baumgärten, Wiesen, Brücken, Wuhren, Feldern und Gärten.

Gleiches geschah im Rheintal, im Oberland, im Prättigau, im Schweizerland usw.

Zu Ruvis ob Ilanz und in Campodolcino hat das Wasser etliche Häuser umgerissen und etlich Personen ertränkt.

Am 2. Oktober sind die Wasser zum “dritten Mal so grausamlich angegangen”, dass die wieder hergestellten Brücken samt vielen Gütern abermals zerstört oder arg beschädigt wurden.

In Tumleschg ist ein Theil eines Berges eingefallen mit grossem Getös und Erschütterung."
.

Anmerkung Brügger zu 29) F. Sprecher (Rhet. Cronica, deutsch. Ausg. v. 1672, S. 264) sagt hierüber: “Hinder Thusis ab fliesst das wütende Wässerle, die Nolla in den Rhein. Im Jahr 1585 hat diess Wasser im Augusten und Oct. dem Flecken Thusis merklichen Schaden zugefügt.”
.

“1585. Am 2. Oktober starke Regengüsse und Überschwemmungen, welche im Bergell, Veltlin und im Thalboden von Cläven (hier angeblich für 40’000 Gl.) grossen Schaden thaten, auch das S. Jakobsthal überall verwüsteten und (samt 5 Personen) verschütteten.”
.

Quelle: Brügger, C.G.: Beiträge zur Naturchronik der Schweiz, insbesondere der Rhätischen Alpen. Teil II. Naturchronik des sechzehnten Jahrhunderts. Beilage zum Programm der Bündnerschen Kantonsschule. Buchdruckerei Casanova, Chur, 1877.
.