Das Hochwasser 1570 in Graubünden

“Es war auch diess Jahr grosse Wassersnoth (Scheuchzer). In der ganzen Schweiz richteten die Überschwemmungen einen ungeheuren Schaden an. (…)

Die Wasserverheerungen im nördlichen und westlichen Rhätien schildern zwei ausführliche Briefe des Stadtpfarrers von Chur (Tobias Egli) an Bullinger, welche Scheuchzer (a.a.O.) mittheilt.

Am 24. August wurde das Fideriser-Bad von allen Seiten durch ausbrechende Giessbäche und Rüfenen bedroht, drei zum Schutze der Badgebäulichkeiten errichtete Dämme samt Mezg wurden zerstört, die Brücken fortgerissen, das wenige Tage vorher vom Abt von St. Gallen bewohnte Badezimme begann einzustürzen, Säuglinge in den Wiegen, Kinder und Habseligkeiten wurden auf die Berge geflüchtet unter jammern und Wehklagen der Frauen und Kinder, unter furchtbarem Donnern und Tosen der Wälder und Wildbäche.

Auch die Plessur war gleichzeitig ausgebrochen und hatte “an mehr als 100 Stellen” die Umgebungen von Chur sehr schwer geschädigt; der Schaden wurde auf mehr als 1000 Kronen geschätzt.

Im Obern Bund (wie im Engadin) brachte der September gewaltige Überschwemmungen. Die Gewässer rissen die festesten Brücken, eine Menge Holz, Schaaren von Gross- und Kleinvieh mit sich fort und trugen ihre Cadaver den Rhein hinab bei Chur vorbei.

In der Nähe von Ilanz stürzten, zugleich mit einer Brücke, ungefähr 100 Ziegen in die Fluthen und gingen sämmtlich zu Grunde. Landrichter Aegidi verlor ein Gut, das er nicht um 3000 Kronen hergegeben hätte.

Auch Leichen ertrunkener Menschen soll der Rhein an Chur vorbeigeführt haben (Scheuchz. I.c.)

Mitte September Überschwemmungen im Engadin, indem namentlich die Zuflüsse des Inns sehr beträchtlich anschwollen (Campell).

“Am hl. Kreuztag 1570” (14. Sept. a. St.) – bestätiget eine handschriftliche Notiz von J.J.Bifrun – nach starken Regengüssen trat eine Überschwemmung des Inns ein, welche wenig hinter derjenigen vom Jahr 1566 zurückblieb und grossen Schaden anrichtete; bei Samaden wurden die Gegend von Flatz und die Güter in Pra Molins überflutet und verwüstet ( “Anno 1570 festo sanctae crucis magnis imbribus repente exundavit Enus, ut paulo minor extiterit quam anno 1566 et multa damna intulit, erupit in Flaz et multa vastavit erupitque in Prato Molins et prata simul et pascuum laesit. (Bifrun Misc.)”
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Quelle Brügger, C.G.: Beiträge zur Naturchronik der Schweiz, insbesondere der Rhätischen Alpen. Teil II. Naturchronik des sechzehnten Jahrhunderts. Beilage zum Programm der Bündnerschen Kantonsschule. Buchdruckerei Casanova, Chur, 1877.